Lichtschlag Bücher

Leseprobe: Wer ist Ron Paul? (restlos ausverkauft / aus dem Programm genommen)

Einführung: Das Gespenst der Freiheit

    Es geht ein Gespenst um in Amerika, das Gespenst der Freiheit. Es versetzt die wenigen Mächtigen, die Einflussreichen, die großen Nettostaatsprofiteure in Angst und Schrecken und gibt jenen vielen Hoffnung, die unter einem Gesellschaftssystem leiden, das, trotz einer großartigen freiheitlichen Tradition, schon seit mindestens einem Jahrhundert nicht mehr ehrlicherweise frei genannt werden kann. Dieses Gespenst hat im Jahr 2007 die Form einer politischen Bewegung angenommen, die „Ron Paul Revolution“ genannt wird. Ihr Namenspatron war in den Jahren 2007 und 2008 einer der Präsidentschaftskandidaten der Republikaner. Die leitenden Funktionäre und Sprecher seiner Partei wollten ihn am liebsten nicht kennen, denn er erinnerte sie in seinen Reden an die friedliebenden, freiheitlichen Wurzeln ihres Landes, die sie für Macht und Einfluss verraten haben. Und mit seinem makellosen Lebenswandel erinnerte er sie an die Werte, für die Amerika einmal gestanden hat und die es schon lange nicht mehr vorlebt. Auch die Mächtigen in den Medien und Verbänden wollten ihn am liebsten ignorieren. Doch trotz der relativen Nachrichtensperre über ihn, trotz des Hohns und Spotts, den die beklommenen Machtinhaber über ihn ausgießen (lassen), flossen ihm Millionen und Abermillionen Dollar zu, oft von Leuten gespendet, die sich dafür mühsam 20 oder 50 Dollar vom Mund absparten. Aber auch größere Beträge, von Softwareingenieuren, Investmentbrokern und Unternehmern. Was er jedoch nicht bekam, sind Sammelspenden von Konzernen und anderen Trägern von Sonderinteressen, die sich gute Beziehungen zu, und Gefälligkeiten von, Washington wünschen. Denn Paul war und ist, untypisch für einen Politiker, nicht im Gefälligkeitsvergabegeschäft tätig. Dafür bekam Paul Unterstützung von der Basis der Republikaner und von ehemaligen Republikanern. Aber auch von ehemaligen Demokraten. Von Unabhängigen. Von jungen Leuten, für die bislang nichts so „uncool“ war wie Politik. Von älteren, desillusionierten Leuten, die oft ihr Leben lang nicht gewählt haben. Sie unterstützten ihn nicht nur mit Geld. Sie gingen auf die Straße für ihn. Sie malten für ihn tausendfach eigenhändig Werbeplakate. Sie erschufen Videos und komponierten Lieder über ihren Kandidaten, eines professioneller gemacht als das andere, und völlig unentgeltlich. Für ihn gingen sie freiwillig im Winter im eiskalten New Hampshire und Iowa von Tür zu Tür und sprachen mit Wählern dieser frühen Vorwahlstaaten. Sie finanzierten, völlig unabhängig von seinem offiziellen Wahlkampfteam, mit 350.000 Dollar ein Werbeluftschiff für ihn. Was ging hier vor? Woher kam dieses beispiellose Engagement, diese Energie? Und wohin könnte sie führen? Dieses Buch soll dem Leser helfen, das Phänomen der „Ron Paul Revolution“ besser zu verstehen.

    Um zu verstehen, was heute in den USA vor sich geht, muss man zunächst lernen, dass Amerika, allen gegenteiligen Behauptungen zum Trotz, schon lange kein freiheitliches, kapitalistisches Land mehr ist. Es ist ein Land, in dem der Staat und die Konzernwirtschaft aufs engste verwoben sind. Das ist hauptsächlich die Folge der Wirksamkeit des großen Gegners der Freiheit, eines anderen politischen Gespensts, das seit ziemlich genau 160 Jahren in Europa und Amerika umgeht und dort (und inzwischen weltweit) bis heute sein Unwesen treibt: des Kommunismus. Es ergriff die Phantasie erst der Intellektuellen, dann der Massen. Unter seinem direkten und indirekten Einfluss veränderten sich die Gesellschaften des alten und des neuen Kontinents zusehends. Die Regierungen, die eben noch vom klassischen Liberalismus stark in die Defensive gedrängt worden waren, griffen gern einige Forderungen der Kommunisten und Sozialdemokraten auf. Damit konnten sie, das begriffen sie schnell, das große gesellschaftliche Phänomen des liberalen 19. Jahrhunderts, den wachsenden Mittelstand, der die Regierungsmacht erheblich eingeschränkt hatte, nun selbst wiederum in die Schranken verweisen. So wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland private Schulen für Arbeiterkinder vom Staat ebenso übernommen wie private Arbeiterrenten- und Krankenversicherungen. Um die Jahrhundertwende übernahm Amerika das deutsche Zwangsschulmodell einschließlich staatlicher Vorschrift der Lehrinhalte. Später übernahmen die USA auch jenen gigantischen Betrug an der zukünftigen Generation, die umlagefinanzierte Sozialrente. In Europa und Amerika errichteten die Regierungen Zentralbanken oder ließen ihre Entstehung zu. Diese erhielten von ihnen das staatliche Monopol über die Herstellung von Banknoten, was die vorhersehbare Folge einer beschleunigten Abwertung des Geldes hatte. Ein Monopolgeldhersteller war und ist ein wichtiges Instrument für die weitere Konzentration der Regierungsmacht in wenige Hände. Und er war die wichtigste Voraussetzung für die Finanzierung der verrücktesten Ideen des zwanzigsten Jahrhunderts. Zum Beispiel Kriegen mit Millionen von Todesopfern. Sowohl Zentralbanken als auch staatliche Schulpflicht sind Forderungen, die im Kommunistischen Manifest erhoben werden. Der unausgesprochene Grund hierfür ist die leichtere Manipulierbarkeit der Menschen, die sonst den Zielen der zentralen Planer im Weg stehen könnten.

    Während der Kommunismus in Russland offen wütete, schlich er sich auf dem Umweg nominell nichtkommunistischer Regierungen und Organisationen im Westen weiterhin leise in das Leben der Menschen ein. Nicht immer gelang es ihm, das „richtige“, nämlich unauffällige, Tempo einzuhalten. Als in der Anfangszeit der Weimarer Republik Reparationszahlungen,Auslandsschulden und unbezahlbare Sozialleistungen (unbezahlbar aufgrund des Generalstreiks gegen die französische Ruhrgebietsbesetzung) mit der Druckerpresse finanziert wurden, und es deswegen zur Hyperinflation und somit zur blitzschnellen Auslöschung der privaten Ersparnisse kam, war die Katze kurzzeitig aus dem Sack. Die Menschen fingen an, jemanden zu suchen, der sie vor dem kommunistischen Teufel retten könnte, und griffen, nach weiteren traumatischen Erlebnissen, in ihrer Verzweiflung nach seinem nationalsozialistischen Bruder Beelzebub. Sie konnten sich keine andere Alternative vorstellen, weil schon ihre Generation in den staatlich kontrollierten Schulen und Universitäten die Inhalte und Werte des klassischen Liberalismus nicht mehr unverfälscht vermittelt bekommen hatte.

    Eine Welt, die zwei Generationen zuvor noch von der wohl standsfördernden, friedensstiftenden und unvermeidlichen Wirkung der individuellen Freiheit überzeugt gewesen zu sein schien, war nun, wo sie diese Ideen gänzlich abgelegt hatte, völlig aus den Fugen geraten. Und dabei ist es bis heute geblieben. Noch immer beherrschen zentralistische Staaten das Geschehen auf diesem Planeten. Mit ihrem Monopolgeld und ihren Ansprüchen auf eine meist progressive Einkommenssteuer (letzteres ist ebenfalls eine im Kommunistischen Manifest erhobene Forderung) finanzieren sie Kriege, finanzieren sie Subventionen für Produkte, die keiner braucht, finanzieren sie die Beseitigung dieser Produkte, finanzieren sie korrupte Politiker zu Hause und in Ländern der Dritten Welt, finanzieren sie Sozialtransfers, die eine Einladung zum Faulsein sind und die natürlich gewachsenen Strukturen der Gesellschaft ersatzlos zu zerstören drohen. Darüber hinaus regulieren sie alles, was sich bewegt. Sie überwachen alles, was sich bewegt. Und wer sich von ihnen nicht regulieren lässt, wird finanziell vernichtet oder mit Rufmord mundtot gemacht. Manchmal auch physisch ermordet oder anderweitig ans Messer geliefert. Sie, die Regierungen, auch der sogenannten westlichen Welt, sind immer noch vom Gespenst des Kommunismus beseelt, auch wenn sie sich neokonservativ, liberal, christ- oder sozialdemokratisch nennen. Ihre Mitglieder und Unterstützer sind natürlich keine Kommunisten als solche. Sie sind aber Etatisten; das heißt, sie glauben, dass in vielen oder gar den meisten Bereichen des Lebens dem Staat eine bedeutende Rolle zusteht, und dass sich das Individuum und die natürlich gewachsenen gesellschaftlichen Strukturen im Zweifel dem Staat unterzuordnen haben.

    Wie die Deutschen nach verlorenem Ersten Weltkrieg, der Hyperinflation und der Weltwirtschaftskrise, suchten die Amerikaner nach dem Trauma vom 11. September 2001 nicht in mehr Freiheit ihr Heil, sondern, getreu dem seit langem auch hier etablierten etatistischen Credo, in einem noch stärkeren, noch zentralistischeren, militaristischeren, aggressiveren, geheimniskrämerischeren, unkontrollierbareren Staat. In einem Staat, der Menschen entführt und ohne Gerichtsverhandlung wegschließt. Der sie foltert. Der das Fernmeldegeheimnis bricht – oder bequemerweise gleich ganz abschafft. Der Durchsuchungen ohne richterliche Erlaubnis zulässt. Und der verstärkt das fortsetzt, was der aktuellen Terrorismus erst hervorgerufen hat: Wirtschaftliche und militärische Interventionen im Ausland. Mit anderen Worten: Die Vereinigten Staaten von Amerika stehen auf der Schwelle zu einem neuen Faschismus.

    Im Jahr 2007 keimte jedoch eine Gegenbewegung auf. Eine originär freiheitliche Bewegung, die sich spontan um die Kandidatur eines Republikaners formierte. Dessen auf die Ursprünge freiheitlichen Denkens zurückgehendes Programm lässt sich mit wenigen Worten folgendermaßen zusammenfassen: Freiheit resultiert aus der Achtung des Privateigentums, was wiederum zu allgemeinem Wohlstand und zu echtem, solidem Frieden führt. Und die Einhaltung der amerikanischen Verfassung sei der beste Weg dorthin. Eine solche Botschaft, die Freiheit und Frieden über die Klammer Privateigentum und Verfassung verknüpft, hatte Amerika schon lange nicht mehr von einem Politiker gehört, und dennoch traf sie auf eine große und mit jedem Tag wachsende Resonanz. Warum? Und warum jetzt?

[zurück zum Buch]